Georg Herwegh: Unterschied zwischen den Versionen
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− | I | + | == I == |
− | Vielverschlagner Richard Wagner, | + | #Vielverschlagner Richard Wagner, |
− | Aus dem Schiffbruch von Paris, | + | #Aus dem Schiffbruch von Paris, |
− | Nach der Isarstadt getragner, | + | #Nach der Isarstadt getragner, |
− | Sangeskundiger Ulyß! | + | #Sangeskundiger Ulyß! |
− | Ungestümer Wegebahner, | + | #:<br /> |
− | Deutscher Tonkunst Pionier, | + | #Ungestümer Wegebahner, |
− | Unter welche Insulaner, | + | #Deutscher Tonkunst Pionier, |
− | Teurer Freund, gerietst du hier! | + | #Unter welche Insulaner, |
− | Und was hilft dir alle Gnade | + | #Teurer Freund, gerietst du hier! |
− | Ihres Herrn Alkinous? | + | #:<br /> |
− | Auf der Lebenspromenade | + | #Und was hilft dir alle Gnade |
− | Dieser erste Sonnenkuß? | + | #Ihres Herrn Alkinous? |
− | Die Philister, scheelen Blickes, | + | #Auf der Lebenspromenade |
− | Spucken in den reinsten Quell; | + | #Dieser erste Sonnenkuß? |
− | Keine Schönheit rührt ihr dickes, | + | #:<br /> |
− | Undurchdringlich dickes Fell. | + | #Die Philister, scheelen Blickes, |
− | Ihres Hofbräuhorizontes | + | #Spucken in den reinsten Quell; |
− | Grenzen überstiegst du keck, | + | #Keine Schönheit rührt ihr dickes, |
− | Und du bist wie Lola Montez | + | #Undurchdringlich dickes Fell. |
− | Dieser Biedermänner Schreck. | + | #:<br /> |
− | »Solche Summen zu verplempern, | + | #Ihres Hofbräuhorizontes |
− | Nimmt der Fremdling sich heraus! | + | #Grenzen überstiegst du keck, |
− | Er bestellte sich bei Sempern | + | #Und du bist wie Lola Montez |
− | Gar ein neu Kornödienhaus! | + | #Dieser Biedermänner Schreck. |
− | Ist die Bühne, drauf der Robert, | + | #:<br /> |
− | Der Prophet, der Troubadour | + | #»Solche Summen zu verplempern, |
− | Münchens Publikum erobert, | + | #Nimmt der Fremdling sich heraus! |
− | Eine Bretterbude nur? | + | #Er bestellte sich bei Sempern |
− | Schreitet nicht der große Vasco | + | #Gar ein neu Kornödienhaus! |
− | Weltumsegelnd über sie? | + | #:<br /> |
− | Doch Geduld – du machst Fiasko, | + | #Ist die Bühne, drauf der Robert, |
− | Hergelaufenes Genie! | + | #Der Prophet, der Troubadour |
− | Ja, trotz allen deinen Kniffen, | + | #Münchens Publikum erobert, |
− | Wir versalzen dir die Supp; | + | #Eine Bretterbude nur? |
− | Morgen wirst du ausgepfiffen – | + | #:<br /> |
− | Vorwärts, Franziskanerklubl!« | + | #Schreitet nicht der große Vasco |
− | II | + | #Weltumsegelnd über sie? |
− | So in Prosa und in Reimen | + | #Doch Geduld – du machst Fiasko, |
− | Heult der wilde Bajuvar, | + | #Hergelaufenes Genie! |
− | Und es heulen die »Geheimen«: | + | #:<br /> |
− | »Bayerland ist in Gefahr!« | + | #Ja, trotz allen deinen Kniffen, |
− | Ach, vergebens baute jener | + | #Wir versalzen dir die Supp; |
− | Ludovik die Propylän, | + | #Morgen wirst du ausgepfiffen – |
− | Denn die Sprache der Athener | + | #Vorwärts, Franziskanerklubl!« |
− | Wird man niemals hier verstehn. | + | <br /> |
− | Wie die Narren dir's verübeln, | + | == II == |
− | Wie's den Pöbel baß verdrießt, | + | #So in Prosa und in Reimen |
− | Wie er seinen Schmutz in Kübeln | + | #Heult der wilde Bajuvar, |
− | Schimpfend über dich ergicßt; | + | #Und es heulen die »Geheimen«: |
− | Weil Horazens schwarze Vettel | + | #»Bayerland ist in Gefahr!« |
− | Nicht mit dir zu Pferde sitzt; | + | #:<br /> |
− | Weil einmal ein Bankozettel | + | #Ach, vergebens baute jener |
− | In der Muse Händen blitzt; | + | #Ludovik die Propylän, |
− | Weil des reichen Schachs Kamele | + | #Denn die Sprache der Athener |
− | Zeitig angelangt einmal, | + | #Wird man niemals hier verstehn. |
− | Eh Firdusi seine Seele | + | #:<br /> |
− | Ausgehaucht in Not und Qual; | + | #Wie die Narren dir's verübeln, |
− | Weil einmal ein goldner Regen | + | #Wie's den Pöbel baß verdrießt, |
− | In den Schoß des Künstlers fällt – | + | #Wie er seinen Schmutz in Kübeln |
− | Ruiniere meinetwegen | + | #Schimpfend über dich ergicßt; |
− | Alle Könige der Welt. | + | #:<br /> |
− | Hol den Hort der Nibelungen, | + | #Weil Horazens schwarze Vettel |
− | Den versunknen, aus dem Rhein! | + | #Nicht mit dir zu Pferde sitzt; |
− | Und was Orpheus einst gesungen, | + | #Weil einmal ein Bankozettel |
− | Sollt es dir unmöglich sein? | + | #In der Muse Händen blitzt; |
− | Tiger, Affen, Schweinehunde, | + | #:<br /> |
− | Meyerbären macht' er zahm; | + | #Weil des reichen Schachs Kamele |
− | Leider hab ich keine Kunde, | + | #Zeitig angelangt einmal, |
− | Wie sich Sanchos Tier benahm. | + | #Eh Firdusi seine Seele |
− | Aber laß des Esels Knirschen | + | #Ausgehaucht in Not und Qual; |
− | Dich nicht stören im Genuß! | + | #:<br /> |
− | Iß, mit wem du willst, die Kirschen, | + | #Weil einmal ein goldner Regen |
− | Lieber Zukunftsmusikus! | + | #In den Schoß des Künstlers fällt – |
− | Nur empfehl ich dir das eine: | + | #Ruiniere meinetwegen |
− | Bist du fertig, sag ade! | + | #Alle Könige der Welt. |
− | Warte nicht, bis man die Steine | + | #:<br /> |
− | An den Kopf dir wirft – o weh! | + | #Hol den Hort der Nibelungen, |
− | Suche niemals mehr auf solcher | + | #Den versunknen, aus dem Rhein! |
− | Erde dir ein Lorbeerblatt, | + | #Und was Orpheus einst gesungen, |
− | Hinge selbst das Vlies, das Kolcher, | + | #Sollt es dir unmöglich sein? |
− | Über jedem Tor der Stadt! | + | #:<br /> |
− | << | + | #Tiger, Affen, Schweinehunde, |
+ | #Meyerbären macht' er zahm; | ||
+ | #Leider hab ich keine Kunde, | ||
+ | #Wie sich Sanchos Tier benahm. | ||
+ | #:<br /> | ||
+ | #Aber laß des Esels Knirschen | ||
+ | #Dich nicht stören im Genuß! | ||
+ | #Iß, mit wem du willst, die Kirschen, | ||
+ | #Lieber Zukunftsmusikus! | ||
+ | #:<br /> | ||
+ | #Nur empfehl ich dir das eine: | ||
+ | #Bist du fertig, sag ade! | ||
+ | #Warte nicht, bis man die Steine | ||
+ | #An den Kopf dir wirft – o weh! | ||
+ | #:<br /> | ||
+ | #Suche niemals mehr auf solcher | ||
+ | #Erde dir ein Lorbeerblatt, | ||
+ | #Hinge selbst das Vlies, das Kolcher, | ||
+ | #Über jedem Tor der Stadt! | ||
+ | <br /><br /> | ||
Georg Herwegh an Richard Wagner, Januar 1866 | Georg Herwegh an Richard Wagner, Januar 1866 |
Aktuelle Version vom 30. April 2017, 06:01 Uhr
I
- Vielverschlagner Richard Wagner,
- Aus dem Schiffbruch von Paris,
- Nach der Isarstadt getragner,
- Sangeskundiger Ulyß!
- Ungestümer Wegebahner,
- Deutscher Tonkunst Pionier,
- Unter welche Insulaner,
- Teurer Freund, gerietst du hier!
- Und was hilft dir alle Gnade
- Ihres Herrn Alkinous?
- Auf der Lebenspromenade
- Dieser erste Sonnenkuß?
- Die Philister, scheelen Blickes,
- Spucken in den reinsten Quell;
- Keine Schönheit rührt ihr dickes,
- Undurchdringlich dickes Fell.
- Ihres Hofbräuhorizontes
- Grenzen überstiegst du keck,
- Und du bist wie Lola Montez
- Dieser Biedermänner Schreck.
- »Solche Summen zu verplempern,
- Nimmt der Fremdling sich heraus!
- Er bestellte sich bei Sempern
- Gar ein neu Kornödienhaus!
- Ist die Bühne, drauf der Robert,
- Der Prophet, der Troubadour
- Münchens Publikum erobert,
- Eine Bretterbude nur?
- Schreitet nicht der große Vasco
- Weltumsegelnd über sie?
- Doch Geduld – du machst Fiasko,
- Hergelaufenes Genie!
- Ja, trotz allen deinen Kniffen,
- Wir versalzen dir die Supp;
- Morgen wirst du ausgepfiffen –
- Vorwärts, Franziskanerklubl!«
II
- So in Prosa und in Reimen
- Heult der wilde Bajuvar,
- Und es heulen die »Geheimen«:
- »Bayerland ist in Gefahr!«
- Ach, vergebens baute jener
- Ludovik die Propylän,
- Denn die Sprache der Athener
- Wird man niemals hier verstehn.
- Wie die Narren dir's verübeln,
- Wie's den Pöbel baß verdrießt,
- Wie er seinen Schmutz in Kübeln
- Schimpfend über dich ergicßt;
- Weil Horazens schwarze Vettel
- Nicht mit dir zu Pferde sitzt;
- Weil einmal ein Bankozettel
- In der Muse Händen blitzt;
- Weil des reichen Schachs Kamele
- Zeitig angelangt einmal,
- Eh Firdusi seine Seele
- Ausgehaucht in Not und Qual;
- Weil einmal ein goldner Regen
- In den Schoß des Künstlers fällt –
- Ruiniere meinetwegen
- Alle Könige der Welt.
- Hol den Hort der Nibelungen,
- Den versunknen, aus dem Rhein!
- Und was Orpheus einst gesungen,
- Sollt es dir unmöglich sein?
- Tiger, Affen, Schweinehunde,
- Meyerbären macht' er zahm;
- Leider hab ich keine Kunde,
- Wie sich Sanchos Tier benahm.
- Aber laß des Esels Knirschen
- Dich nicht stören im Genuß!
- Iß, mit wem du willst, die Kirschen,
- Lieber Zukunftsmusikus!
- Nur empfehl ich dir das eine:
- Bist du fertig, sag ade!
- Warte nicht, bis man die Steine
- An den Kopf dir wirft – o weh!
- Suche niemals mehr auf solcher
- Erde dir ein Lorbeerblatt,
- Hinge selbst das Vlies, das Kolcher,
- Über jedem Tor der Stadt!
Georg Herwegh an Richard Wagner, Januar 1866